08.01.2013 Der Schrei!

Der erste Schrei eines Kindes ist für alle Eltern das schönste Geräusch der Welt, sagt er doch aus: Hey, hier bin ich und mir geht es gut! Es ist der erste greifbare Beweis, dass es dem eigenen Kind gut geht! Eine unbequeme Wahrheit folgt allerdings auf dem Fuße: Jedes Kind schreit und es schreit häufig! Muss es auch, es hat ja sonst keine Möglichkeit uns zu sagen: „Hey du da, mit mir stimmt was nicht!“ Aus diesem Grund vertritt man heute auch kaum noch die Ansicht „Lass das Kind schreien, damit es eine starke Stimme bekommt!“. Babys Geschrei ist normal, aber es hat eben auch immer einen konkreten Hintergrund. Direkt nach der Geburt ist das Schreien zudem eines der wichtigsten Indizien für seinen Gesundheitszustand. Nur wenn das Baby zusätzlich zum regelmäßigen Atem noch schreit, bekommt es 2 von 2 Punkten für das Kriterium Atemanstrengung und nur wenn es kräftig schreit bekommt es 2 Punkte für das Kriterium Reflexe im so genannten Apgar-Test.* Wenn man bedenkt, dass das Baby schon mit 8 von 10 möglichen Punkten als gefährdet gilt, wird umso deutlicher, welch wichtiger Indikator das Schreien ist.

Auch wenn man also weiß, dass der Nachwuchs keine andere Möglichkeit hat als zu schreien, um auf sich aufmerksam zu machen – und keine andere Intention hat das Baby, auch wenn manche ihm gerne mal etwas anderes unterstellen – ändert das nichts daran, dass es an die Nerven geht. Das liegt schlicht und einfach daran, dass Babys Schreien das schlimmste Geräusch der Welt ist – für alle Mütter! Ich sage bewusst Mütter, denn auch wenn es für die Väter sicher ähnlich schlimm ist, das Kind schreien zu hören, gibt es doch einen gravierenden Unterschied: Bei Müttern gibt es keine Relation zwischen gefühlter Schreidauer des Babys und tatsächlicher Dauer. Übersetzt heißt das: Als ich kürzlich aus der Wanne hastete, um mein armes schreiendes Kind aus den Armen seines liebevoll bemühten Vaters zu reißen, fragte dieser mich ganz verdutzt, warum ich schon nach 5 Minuten fertig sei! Ganz einfach – diese fünf Minuten hatten sich für mich durch das Geschrei des Babys wie 20 Minuten angefühlt. Und ich fühlte mich ganz furchtbar schuldig, weil ich mein armes Baby so lange hungern ließ. Meine Logik und auch der Blick auf das Gewicht unseres Sohnes sagen mir wohl, dass der Kleine nicht verhungert, aber Logik ist bei Müttern dummerweise so ein wahnsinnig leises Stimmchen irgendwo ganz weit hinten im Kopf und damit leicht zu übertönen durch die leiseste Unmutsbekundung des geliebten Kindes.

Und trotzdem – manchmal geht mir das Geschrei auch ganz gewaltig auf die Nerven! Vor allem wenn der Kleine nicht langsam zu meckern beginnt, sodass ich noch die Chance habe zu reagieren, sondern von 0 auf 100 geht.

Das geht allen Eltern so! Natürlich wird Ihnen jede Mutter und jeder Vater erzählen, dass sie NIE genervt von ihrem Kind waren! Das stimmt nicht! Sie waren es alle irgendwann! Und das liegt nicht an mangelndem Verständnis für das Elend des Kindes – im Gegenteil, ein Teil der Problematik liegt darin, dass man hilflos mitleidet – sondern schlicht und einfach an Lautstärke und Frequenz des Geschreis. Die sind nämlich derart beschaffen, dass sie mit Sicherheit genau den Weg genau ins Innere ihres Ohres finden – und von dort aus langsam aber sicher an Ihren Nerven kratzen. Sie sind also keine Rabenmutter bzw. kein Rabenvater, wenn Sie von Ihrem Kind genervt sind – Sie brauchen einfach nur Ohropax!

*Apgar-Test: Test, der dreimal, einmal direkt nach der Geburt, sowie nach weiteren 5 bzw. 10 Minuten beim Neugeborenen durchgeführt wird. Dabei wird anhand von 5 Kriterien der Gesundheitszustand des Babys beurteilt: Herzfrequenz, Atemanstrengung, Reflexe, Muskeltonus, Hautfarbe. Für jedes Kriterium gibt es 0-2 Punkte, sodass insgesamt 10 Punkte erreicht werden können. 9-10 Punkte sind sehr gut, bei 5-8 Punkten gilt das Kind als gefährdet, ab unter 5 Punkten besteht akute Lebensgefahr.

© frhoppe 08.01.13